Sehr geehrte Vertreter*innen des Italienischen Parlaments,
leider werden wir Ihrer Einladung zur Anhörung am 12. April 2017 in Rom zum Thema „Managing the migration phenomenon in the Schengen area, with specific reference to the policies of Member States on external and internal border controls“ nicht nachkommen. Die Gründe sind wie folgt:
Die Einladung wurde nur an eine inoffizielle Emailadresse des Schiffs geschickt, unsere Geschäftsstelle hat nie eine Einladung erreicht. Eine Anrede und ein verantwortlicher Name unter dem Schreiben fehlen vollkommen. Es erfolgte auch keine weitere Erklärung zu Inhalt und Zielen dieser Veranstaltung. Unsere Rückfragen vom 03. April 2017 per Email nach dem Grund dieser Einladung ignorierten Sie. Für uns ist somit nicht ersichtlich, welche Position wir in dieser Anhörung einnehmen sollten und welche Erwartungen hieran geknüpft werden. Sie werden verstehen, dass wir seit den Anschuldigungen einiger offizieller politischer Akteure über die Rechtmäßigkeit unserer Arbeit verstärkt Zweifel an den humanitären Interessen der EU haben.
Als zivilgesellschaftliche NGO, die sich Ende 2014 aus einer Initiative von Freiwilligen gründete, welche dem Sterben auf dem Mittelmeer nicht mehr tatenlos zusehen konnten, berufen wir uns in unserer Arbeit auf den Humanitären Imperativ, der besagt: „Es sollten alle Maßnahmen zur Verhinderung und Linderung menschlichen Leids infolge von Katastrophen und Konflikten ergriffen werden, und dieser Grundsatz sollte durch nichts außer Kraft gesetzt werden“ (The Sphere Project, 2011, S.11). Das Mandat unserer Arbeit gründet auf der Humanitären Charta und ist somit völkerrechtlich verankert, so dass wir die Anschuldigungen der letzten Zeit wie beispielsweise von Paolo Grimoldi (Lega Nord) entschieden zurückweisen und als haltlos betrachten.
Die Katastrophe ist nicht, dass wir Menschenleben im Mittelmeer retten. Die Katastrophe ist, dass die Länder Europas dem Sterben weitgehend tatenlos zuschauen. Selbst ca. 30.000 tote Menschen seit dem Jahr 2000 ändern nichts daran, dass der Friedensnobelpreisträger aus dem Jahr 2012 humanitäre Grundsätze in seiner Politik vermissen lässt und stattdessen die lebensrettende Arbeit von NGOs durch politische Akteur*innen verunglimpft wird.
Wir sind natürlich gerne bereit, innerhalb unserer Möglichkeiten, an Veranstaltungen zum Schutz von Menschen und ihren Rechten teilzunehmen, jedoch muss dafür die notwendige Transparenz gegenüber den Inhalten und Erwartungen vorhanden sein.
Mit freundlichen Grüßen
Axel Grafmanns, CEO Sea-Watch